Leiko Ikemura
Leiko Ikemuras Landschaften sind nicht Landschaften im herkömmlichen Sinne. Sie sind spätestens seit den 1990er-Jahren immer auch Seelen- und Malereilandschaften, in denen sich Horizont und Figur auflösen und mit Natur verschmelzen. Sie verweisen zugleich auch auf eine größere „kosmische Landschaft“. In ihrem plastischen Werk stehen seit dieser Zeit existenzielle Gravitas und ephemere Durchlässigkeit nah beieinander. Zwei solcher Hauptwerke Ikemuras haben in die Sammlungsgemeinschaft des Gerisch-Skulpturenparks gefunden.
Die westliche Kunstgeschichte kennt das Motiv der Liegenden gut, aber diese entrückte Figur im ehemaligen Pfauenhaus des Parks präsentiert sich nicht in den Augen ihres Betrachters; sie interagiert und kokettiert nicht. Ihr Blick ist auf unmittelbare und konzentrierte Weise nach innen gerichtet. Leiko Ikemuras Sleeping Figure in Red – die Farbe ihres roten Rocks und der dunklen Haut sind in vielen malerischen Schichten eins mit der Bronze geworden – ist im Inneren hohl. An Kopf und Saum des Rocks ist die Figur in den sie umgebenden Raum geöffnet. Wie eine Hochgebirgskrone umgibt eine raue, gesteinsartige Formation den Kopf. Der unten geöffnete Rock erscheint wie der Rand eines Kraters, dessen Ausläufer sich in traktierten Furchen im Rock des Mädchens fortsetzen. Mag das Bild der Hohlheit und Leere den westlichen Betrachter auf den ersten Blick erschrecken, so sieht Ikemura den Körper auf ganz selbstverständliche Art als Behältnis. Sein Inhalt ist ein geistiger und kein materieller. Man vermag den Atemzug zu verspüren, der durch den Körper fließt und ihn (er)füllt, ihn zugleich auch nach außen transzendiert. Seine Leere ist nicht nur philosophisches Konzept, sie ist auch prozesshafter Teil eines eigenen Kreationsprinzips: Ikemura höhlt nicht aus, sondern baut um die Leere herum.
Aus dem Schutz des Pfauenhauses wirkt die Figur in ihrer Öffnung und Transzendenz auf zweifache Weise in den Park hinein. Sie atmet dessen Luft, wird Teil der intimen, gestalteten Landschaft und lässt den Park zugleich zur „kosmischen Landschaft“ Ikemuras werden.
Barbara Huttrop (gekürzte Fassung aus: OutsideInside - 20 Jahre Herbert Gerisch-Stiftung)
Seit März 2022 ergänzt die Bronze "Usagi Greeting" den Skulpturenbestand der Stiftung. Sie wurde anlässlich der Ausstellung "Leiko Ikemura - Wenn Pfauen Flügel öffnen" erworben und ist seitdem als feste Installation in der Parkanlage zu sehen. Auch Innenarbeiten wie die Bronze "Trees out of Head" und die Glasplastik "Usagi with wings" sowie Aquarelle und Grafiken wurden in den Sammlungsbestand aufgenommen.